Die Portraifotografie erfordert hohes Einfühlungsvermögen und Empathie. Ein echtes Portrait ist mehr als eine reine Abbildung äußerer Form. Vielmehr ist gefordert das Wesen eines Menschen - oder wenigstens eine „wesentliche“ Facette zu erkennen und sichtbar zu machen.
In jedem Moment unseres Seins spiegelt unser Ausdrucksinstrumentarium unterschiedliche Stimmungs- und Wesenszüge wider. Auch hier bietet sich der Vergleich mit einem Musikstück an: Unser Wesen ist wie ein Musikstück dessen Töne und Akkorde in zeitlicher Folge dargeboten werden. In einem einzelnen Moment ist immer nur ein einziger Ton oder Akkord wahrzunehmen. Die Wahl der Klänge und ihre rhythmische Abfolge vermitteln ein spezifisches Erlebnis das wir als Musikstück wahrnehmen. Der Charakter eines Menschen ist wie eine Symphonie, die sich im jeweiligen Augenblick nur als momentaner, zeitlicher Teileindruck zu erkennen gibt. Nur durch Betrachtung und emotionales Wirkenlassen des Ganzen kann man ihrer umfänglichen Gesamtheit teilhaftig werden.
Da uns die Fotografie nur die Möglichkeit gibt einen winzigen Moment festzuhalten, ist die Wahl dieses Moments ein entscheidendes Kriterium, wenn dieser Moment Aufschluss geben soll über das Wesen eines Menschen. Bei der Suche nach „Wesentlichkeit“ geht es also um Eigenschaften, die sich durch Häufigkeit oder Intensität prägend für den jeweiligen Charakter auszeichnen.
Da die Authentizität das grösste Fenster zu unserem Wesen und dessen Erkenntnis öffnet, ist sie für mich die Basis für ein gelungenes Portrait. In ihr offenbart sich das Wesen.